Geologie und Erdgeschichte von Deutschland

Ruhrgebiet

Flözleeres Oberkarbon

Sedimente des frühen Oberkarbons, die noch keine Steinkohlenflöze enthalten und deshalb auch als das Flözleere bezeichnet werden, streichen lediglich im Süden des Ruhrgebietes an der Oberfläche aus. Insbesondere im Ruhrtal sind solche Ablagerungen stellenweise an der Oberfläche aufgeschlossen, meistens werden sie jedoch von einer dünnen Lage quartärzeitlicher Lockersedimente verhüllt. Die Gesteine des Flözleeren dokumentieren den Übergang vom Flysch- zum Molasse-Stadium im nördlichen Vorland des Variszischen Gebirges. Mit der allmählichen Verlandung dieses Raumes entstand eine besondere Ausgangssituation, die die Entstehung der Steinkohle im Ruhrkarbon ermöglichte.

Ausgangslage

Das Karbon war in Mitteleuropa geprägt durch die Kontinent-Kontinent-Kollision der Variszischen Gebirgsbildung. Das Ruhrgebiet, das plattentektonisch Teil des Kleinkontinentes Avalonia war, lag am Südrand einer als Laurussia bezeichneten Landmasse, die große Teile des nördlichen Europas umfasste. Südlich davon hatte sich durch Dehnung und Ausdünnung der kontinentalen Kruste ab dem späten Silur ein Meeresbecken gebildet, das als Rhenoherzynisches Becken bezeichnet wird und nach Süden in den offenen Ozean überging.

Im Verlauf des Karbons erreichte der Kollisionsvorgang der beiden Kontinente Gondwana und Laurussia den Südrand des heutigen Rheinischen Schiefergebirges. Das Rhenoherzynische Becken wurde ab dem höheren Unterkarbon dadurch geschlossen. Es verblieb lediglich eine dem aufsteigenden Gebirge nördlich vorgelagerte Vortiefe, die auch das heutige Ruhrgebiet umfasste. Sie wird als Subvariszische Saumtiefe bezeichnet wird. Die Subsidenz dieses Beckens wurde durch die Auflast und Verlagerung der auflagernden Oberplatte gesteuert. Mit dem Vorrücken der Gebirgsfront wanderte daher die Vortiefe ebenfalls nach Norden.

Im Unterkarbon herrschten bei sehr niedrigem Sedimenteintrag zunächst noch eindeutig marine Bedingungen in der Vortiefe. Im Nordwesten kamen flachmarine, fossilreiche Kalksteine zum Absatz. Diese Kohlenkalk-Fazies wurde in Landferne abgelöst durch die Stillwasser-Sedimente der Kulm-Fazies (Abb. 1). In ihr entstanden vor allem dunkle Tonsteine, Alaun- und Kieselschiefer. Von Schwellen innerhalb des Beckens sowie von den Kohlenkalk-Karbonatplattformen gelangten zudem karbonatische Turbidite in tiefere Beckenregionen.

Abb. 1: Verteilung von Kohlenkalk- und Kulm-Fazies im Unterkarbon des Ruhrgebietes; eigene Darstellung, Daten nach ARNDT et al. (2020)

Mit zunehmender Sedimentzufuhr und nachlassender Subsidenz war im Namur B schließlich das Molasse-Stadium erreicht. Es bildete sich eine flache, etwa auf Meereshöhe liegende, durch hohe Grundwasserstände gekennzeichnete Ebene, in der sich Seen befanden und die von Flüssen durchzogen war. Unter tropischen Bedingungen breitete sich eine reiche Vegetation aus, deren organische Reste sich durch Sauerstoffabschluss zunächst zu Torf und später nach Überdeckung mit mächtigen Sedimentlagen zu den Steinkohlen des Ruhrgebietes umwandelten.

Flözleeres Oberkarbon

Die Unterkarbon-/Oberkarbon-Grenze findet sich im Ruhrkarbon innerhalb der Hangenden Alaunschiefer (Seltersberg-Formation). Die Karbonatproduktion des Kohlenkalk-Schelfes mit seinen günsten Lebensbedingungen kam damit zum Erliegen. Die Formation besteht vor allem aus dunklen, mit organischem Kohlenstoff angereicherten ungeschieferten Tonsteinen. Häufig tritt Pyrit auf, dessen Verwitterung das als Alaun bezeichnete Kalium-Aluminiumsulfat entstehen ließ. Im verwitterten Zustand sind die Gesteine stark ausgebleicht.

Die Sedimente sind Bildungen eines tiefen, wenig bewegten und schlecht durchlüfteten Meeresbeckens. Da Unter- und Obergrenze der Formation leicht diachron verlaufen, liegen Beginn und Ende der Hangenden Alaunschiefer im Ruhrgebiet zeitlich etwas früher als am Nordrand des Bergischen Landes. Die Hangenden Alaunschiefer zeigen landferne, eindeutig marine Verhältnisse an. Die Auswirkungen der Variszischen Gebirgsbildung waren noch nicht unmittelbar zu spüren. Jedoch schon im höheren Namur A stellten sich Sandschüttungen aus Süden von der vorrückenden Gebirgsfront ein, die das Herannahen des Festlands anzeigen. Dieses hob sich immer mehr als Gebirge heraus und unterlag sofort der Abtragung.

Abb. 2: Gliederung der Namur-Stufe im südlichen Ruhrgebiet und im Bergischen Land

In der Erlenrode-Formation lagerten sich quarzitische, teils auch konglomeratische Sandsteine mit tonig-schluffigen Einschaltungen ab. Diese Sedimente werden interpretiert als Ablagerungen im Fluss-Meer-Übergangsbereich. Dies wird auch dadurch gestützt, dass neben marinen Fossilien vom Festland eingeschwemmte Rest einer terrestrischen Flora auftreten. Nach Osten hin wird die Erlenrode-Formation etwa ab Hagen abgelöst durch die im Sauerland verbreitete Arnsberg-Formation. Diese umfasst typische Flysch-Sedimente, als vom aufsteigenden Gebirge im Süden turbiditische Grauwacken in das Becken gelangten. Diese gebankten und unreinen, etwas gröberen Sandsteine zeigen Kennzeichen für Turbidite wie Gradierung und Belastungsmarken. Sie wechsellagern mit Schluff- und Feinsandsteinen.

Die Hagen-Formation, die etwa im mittleren Namur B entstand, besteht aus einer Ton-Sandstein-Wechsellagerungen. Während die dunklen Tonsteine marine Bildung sind, sind die Sandsteine, die oft Schrägschichtung und einen Anteil hellen Glimmers besitzen, wohl Schüttungen der im Süden aufgetauchten Mitteldeutsche Kristallinzone. Mit der Hagen-Formation hatte sich der Übergang vom Flysch- zum Molasse-Stadium der Variszischen Vortiefe vollzogen.

Abb. 3: Anstehende Sand- und Tonsteine der Hagen-Formation, westliches Ruhrtal in Mülheim

Die im Hangenden folgende Ziegelschiefer-Formation (Vorhalle-Schichten), die auch noch zum Namur B gehört, besteht dann erneut aus eher feinkörnigen Ablagerungen. Es treten insbesondere Schluffsteine mit Tonsteinlagen und Sandsteinbänken auf, die in einem küstennahen marinen Ablagerungsmilieu entstanden. Die Tonsteine wurden früher als Rohstoff für die Ziegelindustrie verwendet, was der Formation ihren Namen gab. Die Ziegelschiefer-Formation ist bekannt für ihren Fossilreichtum. Neben den Resten mariner Lebewesen finden sich auch solche des Festlandes, was mit der Küstennähe des Ablagerungsraumes erklärt werden kann. Insbesondere die in Halle-Vorhalle gefundenen Insekten- und Spinnen-Fossilien sind weltbekannt.

Abb. 4: Tonsteine der Ziegelschiefer-Formation, Essen-Kettwig

Mit dem Ende Ziegelschiefer-Formation kam es zu erneuten Sandschüttung, die allerdings nicht überall und auch nicht zeitgleich stattfanden. Die Basis des Grenzsandsteins bildet die Grenze zwischen Ziegelschiefer- und Kaisberg-Formation. Der Grenzsandstein und der etwas jüngere Kaisberg-Sandstein entstammten mächtigen, sich in das Restbecken vorschiebenden Flussdeltas und zeigen die fortschreitende Verlandung an. Im hohen Namur B war die Subvariszische Saumtiefe so weit mit Sedimenten aufgefüllt, dass eine flache, etwa auf Meereshöhe liegende Küstenebene entstanden war, in der in Äquatornähe unter tropischen Klimabedingungen eine üppige Moor- und Sumpfvegetation entstand. Ab dann waren die Voraussetzungen für die Bildung von Kohlenflözen gegeben.

Beginn der Steinkohlenbildung

Innerhalb der Kaisberg-Formation treten die ersten Steinkohlenflöze auf. Die Formation wird anhand ihrer Goniatiten-Fauna in das Namur B gestellt wird, nachdem die früher vorgenommene Stellung in das Namur C biostratigraphisch nicht mehr haltbar war. Damit endete eine seit dem Devon anhaltende Vorherrschaft des Meeres. Durch Auffüllung der Vortiefe war ein weitgehend limnisch-fluviatiler Sedimentationsraum entstanden. Auch das Vorkommen teils mächtiger Sandstein- und Konglomeratbänke zeigt den Wechsel der Ablagerungsbedingungen an. Gelegentliche Vorstöße des Meeres gab es aber immer noch. Damit begann das Produktive Oberkarbon des Ruhrgebietes bzw. endete das Flözleere. Insgesamt erreicht die Schichtenfolge des Flözleeren aus dem Namur A und B im südlichen Ruhrgebiet Mächtigkeiten von 2000 bis 3000 m.

Literatur

ARNDT, M. & FRITSCHLE, T. & SALAMON, M. & THIEL, A. (2020): Das Rhenoherzynische Becken - ein hydrothermales Reservoir für NRW und Nordwesteuropa? - scriptumonline, 16: 11 S., 3 Abb.; Krefeld. [https://www.gd.nrw.de/pr_bs_scriptumonline.htm - <scriptumonline-16_2020-09.pdf>]

GEOLOGISCHER DIENST NRW (2020) [Hrsg.]: Integrierte Geologische Landesaufnahme in Nordrhein-Westfalen. - Erläuterungen zum Kartierprojekt Ruhrgebiet. - 176 S., 86 Abb.; Krefeld

JANSEN, F. & DROZDZEWSKI, G. (1986): Erläuterungen zu Blatt 4507 Mülheim an der Ruhr. - Geol. Kt. Nordrh.-Westf. 1:25000, 200 S., 18 Abb., 17 Tab., 4 Taf.; Krefeld

PIECHA, M. & RIPPERT, K.H. & WREDE, V. (2008): Das Paläozoikum im südlichen Ruhrgebiet (Exkursion C am 27.März 2008). - Jber. Mitt. oberrhein. geol. Ver. 90: 149-185, 21 Abb., 1 Tab.; Stuttgart

RIPPERT, K.H. (2012): Geologie im Rheinischen Schiefergebirge - Teil 2 Bergisches Land. - 192 S., 94 Abb.; Krefeld