Geologie und Erdgeschichte von Deutschland

Deutsche Alpen und Alpenvorland

Schrattenkalk-Formation

Die Gesteine der unterkretazischen Schrattenkalk-Formation gehören dem Helvetikum an. Dieses stellte während der Alpidischen Gebirgsbildung den Sedimentationsraum am Südrand der Europäischen Platte dar. Mit der Öffnung des Penninischen Ozeans im Jura lag das Helvetikum an einem Passiven Kontinentalrand und wurde durch flachmarine Ablagerungen gekennzeichnet, wobei die Wassertiefe nach Südosten hin kontinuierlich zunahm (Abb. 1).

Abb. 1: Sedimentationsmodell Schrattenkalk / Drusberg-Schichten, verändert nach Bayerisches Landesamt für Umwelt (2008)

Gesteine des Helvetikums nehmen in den Deutschen Alpen nur einen kleinen Raum ein. Als schmaler Streifen zieht die Ausstrichzone der helvetischen Gesteine am Nordrand des Gebirges entlang. In Oberbayern setzt das Helvetikum stellenweise ganz aus. Größere Areale, die vom Helvetikum eingenommen werden, finden sich lediglich im Allgäu.

Petrographie

Die Schrattenkalk-Formation besteht aus grauen, insbesondere hellgrauen Flachwasserkalken, die einen hohen Bioklasten- und Oolith-Anteil aufweisen. Daneben treten untergeordnet auch mergelige Partien auf. Die Schichtglieder des Schrattenkalks sind oft mittel- bis grobbankig. Riffartige, überwiegend aus Korallen aufgebaute Strukturen treten auf, insgesamt ist ihr Anteil am Gesteinsaufbau jedoch gering. Die Bioklasten bestehen vor allem aus den Bruchstücken von Korallen, Schwämmen, Seeigeln und Muscheln.

Anders als etwa der ostalpine Hauptdolomit ist der Schrattenkalk recht anfällig für Verkarstung. Entlang seiner Kluftbahnen kann Wasser die Lösung des Gesteins zu Rillen und teilweise metertiefen Karren bewirken. Der Begriff Schratte ist ein Synonym für Karre.

Alter und Entstehungsbedingungen

Zeitlich eingeordnet wird die Entstehung der Schrattenkalk-Formation in die Barrême- und die untere Apt-Stufe und damit in die höhere Unterkreide. Für viele Millionen Jahre herrschten im Helvetikum offenbar sehr stabile Sedimentationsbedingungen, in denen sich die Absenkungsbewegung des Untergrundes und die Bildungsrate karbonatischer Gesteine die Waage hielten. Terrigener Einfluss von der Küste im Norden war gering. Der Schrattenkalk entstand auf einer flachmarinen Karbonatplattform im nördlichen Teil des Helvetikums. Landnähe, eine moderate Strömungsgeschwindigkeit und eine intensive Besiedlung des Meeresbodens kennzeichneten den Ablagerungsraum.

Nach Süden hin in Richtung des Kontinentalhanges wurden die Ablagerungen durch die mergelige Beckenfazies der Drusberg-Schichten (Drusberg-Formation) abgelöst (Abb.1). Mit der Zeit nahmen die Schrattenkalke einen immer größeren Bereich ein und drängten den Ablagerungsbereich der Drusberg-Schichten zurück. Im mittleren Abschnitt der Schrattenkalk-Formation tritt stellenweise ein stärkerer Sandgehalt auf, der zwischenzeitlich eine stärkere Küstennähe anzeigt.

Abb. 2: Der Grünten wird aus Gesteinen des Helvetikums (u.a. Schrattenkalk im Gipfelbereich) aufgebaut

Verbreitung

Der Schrattenkalk ist das markanteste Gestein im Helvetikum der Allgäuer Alpen. Er tritt als Höhenbildner westlich und südwestlich von Oberstdorf auf, zudem werden Teile des Gipfelbereichs des Grünten bei Sonthofen aus Gesteinen der Schrattenkalk-Formation aufgebaut (Abb. 2).

Das größte Vorkommen im Allgäu liegt zwischen dem Hohen Ifen und dem Gottesackergebiet. Dort und bis in den Raum Rohrmoos hinein tritt der Schrattenkalk zusammen mit den Drusberg-Schichten in den Kernen mehrerer Sattelstrukturen an die Oberfläche. Typisch ist für viele der Berge, die der Schrattenkalk aufbaut, dass sie relativ flache, oft bewaldete Südseiten und steil abfallende Nordhänge ausbilden, an denen das Gestein an der Oberfläche ansteht.

Südwestlich von Oberstdorf befindet sich die bekannte Breitachklamm, wo nach dem Gletscherrückzug am Ende der Würm-Kaltzeit ein Hängetal entstanden war, das die Breitach durch rückschreitende Erosion in den harten Kalksteinen der Schrattenkalk-Formation zu einer steilen Klamm umformte (Abb. 3).

Abb. 3: Anstehende Gesteine der Schrattenkalk-Formation in der Breitachklamm bei Oberstdorf

Literatur

Bayerisches Landesamt für Umwelt (2008): Geotope in Oberbayern. - 192 S.; Augsburg

Meyer, R. K. F. (2018): Der Bayerische Alpenrand zwischen Füssen und Berchtesgaden. - 144 S.; München

Scholz, H. (2016): Bau und Werden der Allgäuer Landschaft. - 354 S.; Stuttgart